Das Interesse an der Familie oder der Schule sinkt, stattdessen werden Freunde immer wichtiger. Stimmungsschwankungen nehmen zu, Eltern verstehen ihre Kinder immer weniger und es kommt zu Konflikten. Die Pubertät ist ein wichtiger Abnabelungsprozess für Jugendliche. Eltern fragen sich häufig: „Was geht nur in seinem/ihrem Kopf vor?“ Tatsächlich einiges, denn die Pubertät gehört zu den größten Hirn-Veränderungsprozessen unseres Lebens.
Die Pubertät gehört zu den größten Hirn-Veränderungsprozessen unseres Lebens. Doch was geschieht in dieser Zeit eigentlich genau im Gehirn der Heranwachsenden, und wie wirken sich diese Veränderungen auf das Verhalten der Teenager aus?
Das Gehirn reift
Man kann es kaum untertreiben: In der Pubertät baut sich das menschliche Gehirn regelrecht neu auf. Gesteuert wird dieser langjährige Prozess durch den Hypothalamus im Zwischenhirn. Viele Strukturen, die in der Kindheit angelegt und genutzt wurden, werden ersetzt. Sei es, weil neue Erfahrungen ihren Platz einnehmen oder weil viele Verbindungen, die bisher das viel simplere kindliche Denken, Handeln und Fühlen bestimmt haben, schlicht nicht mehr gebraucht werden. Vereinfacht gesagt, mistet das Gehirn in den neuronalen Verbindungen aus, kappt also nicht mehr nötige Netze, verbindet neue und stärkt bestehende, zu behaltende Strukturen.
Damit einher geht auch eine Effizienzsteigerung des Gehirns, denn durch das neue neuronale Netzwerk mit seinen zahlreichen, neuen Nervenfaserverbindungen wird das Gehirn und damit der Mensch im Ergebnis schneller und flexibler im Denken. Auch die Impulskontrolle und Planungsfähigkeit nehmen in diesem Prozess zu. Die Pubertät lässt sich also als eine Art Optimierungsprozess des Gehirns beschreiben.
Dabei lässt sich feststellen, dass in der Pubertät der Teil des Gehirns, der für Gefühle und Impulse sowie deren Verarbeitung zuständig ist (das limbische System) schneller reift als andere Gehirnareale. Das erklärt zunächst einmal, warum Jugendliche oft vor allem eher sprunghaft und emotional als rational reagieren und handeln, denn die Steuerung genau dieser Emotionen gehört zu den Aufgaben des limbischen Systems.
Am Schluss des Gehirnreifungsprozesses steht das Vorderhirn – der Teil, der vereinfacht gesagt für Vernunft und Vorsicht zuständig ist. Solange dieser Part des Gehirns hinter dem emotionalen und irrationalen zurückbleibt, verhalten sich Pubertierende also auf die für sie so typische, unvorhersehbare, „schwierige“ Art und Weise. Das Ungleichgewicht in der Gehirnentwicklung bedingt somit das Verhalten in der Pubertät. Dieses ist aufgrund der stattfindenden „Umbaumaßnahmen“ mehr von Gefühlen und Impulsen geleitet als von Vernunft und Argumenten.
Freunde nehmen eine besondere Rolle ein
Mehr und mehr ersetzen in der Pubertät Freundinnen und Freunde, die sogenannte „Peer Group“ für Jugendliche, den familiären Zusammenhalt. Grund dafür sind abermals zum großen Teil die Veränderungen des Stoffwechsels von Hormonen und Botenstoffen im Gehirn. Diese sorgen dafür, dass Jugendliche verstärkt Wert auf Anerkennung durch Gleichaltrige legen. Das geht so weit, dass Teenager sich im Beisein von Freundinnen und Freunden risikobereiter verhalten als alleine, denn im Zusammensein mit der „Peer Group“ wird das Belohnungsareal im Gehirn ganz besonders stark aktiviert.
In dieser Zeit wird beispielsweise auch mehr Oxytocin ausgeschüttet, ein Hormon, das das Bedürfnis nach sozialen Bindungen verstärkt.
Warum gehen gerade Jugendliche so viele Risiken ein?
Alkohol, Drogen, riskantes Verhalten, Missachten von Vorschriften: Für die meisten Jugendlichen ist gerade die Pubertät eine Zeit des Ausprobierens – selbst, wenn das zu Extremverhalten führt. Schuld daran ist wiederum das unterschiedliche Tempo bei der Reifung der Gehirnareale. Weil sich das limbische System mit seinem Fokus auf Emotionen schneller entwickelt als etwa das rationalere Vorderhirn, sind Jugendliche auf Risiken, Belohnungen und Erlebnisse aus – also auf das, was das limbische System anspricht und aktiviert. Zudem ist die verstärkte Ausschüttung des Hormons Dopamin verantwortlich für riskanteres Verhalten: Jugendliche haben im Vergleich zu Erwachsenen weniger Rezeptoren für das Glückshormon Dopamin. Sie brauchen somit extremere Reize als Erwachsene, um ein ähnliches Level an entsprechenden Gefühlen zu empfinden.
Rationales Denken, Risikobewertung und das Abschätzen von langfristigen Folgen rücken somit erst einmal in den Hintergrund. Das erklärt, warum Eltern sich beim Verhalten ihrer Kinder so oft fragen: „Denkt er/sie denn gar nicht über die Konsequenzen nach?“ Nein, tatsächlich tun Pubertierende das nicht in dem Maße, wie es von Erwachsenden zu erwarten wäre, und zwar schlicht, weil die Veränderungen ihrer Hirnstruktur das nur bedingt zulässt.
Wie anfällig ist das Gehirn in der Pubertät für langfristige negative Folgen?
Weil das Gehirn in der sensiblen Zeit der Pubertät mit seinen gravierenden neuronalen Veränderungen ganz besonders anfällig ist, können Störungen des Entwicklungsprozesses schwerwiegende Folgen haben. Ob Angststörungen, Depressionen und Suchtverhalten: Eine Vielzahl der psychischen Erkrankungen hat hier ihren Ursprung. Denn gerade Jugendliche experimentieren aufgrund ihrer erhöhten Risikobereitschaft, des Drucks durch Gleichaltrige und ihrer stärkeren Anfälligkeit für Kicks und Belohnungsimpulse mit Drogen.
Dabei können Alkohol, Cannabis und andere Suchtmittel die im Umbau befindlichen Gehirnareale ganz empfindlich beeinträchtigen und eine Störung der jugendlichen Hirnentwicklung verursachen, die sich langfristig verfestigt. Regelmäßiger Cannabiskonsum in der Pubertät etwa erhöht das Risiko, an Schizophrenie zu erkranken. Auch Alkoholmissbrauch im Jugendalter verändert die Strukturen des Gehirns langfristig und bis ins Erwachsenenalter.